Norden 2019

Wie man einen Fluss durchquert

Flussdurchquerung zwischen Ambilobe und Ankarana

Pünktlich um Sechs stehe ich mit Gepäck vor der Tür meines Zimmers. Die Nacht war kurz. Ab halb Elf hat die Klimaanlage ganz die Grätsche gemacht bzw. vielmehr der Strom im ganzen Zimmer. Um halb Eins hat sich das nicht geändert, aber Tanala hat keine Lust mehr, in der Hitze zu warten, bis sich von alleine etwas tut. Also klopft er solange an die Tür der Rezeption, bis nach einer guten Viertelstunde tatsächlich ein Mensch auftaucht. Und einfach nur einen FI-Schalter im Stromkasten umlegt. Das Licht geht wieder. Zurück ins Zimmer, Klimaanlage läuft wieder. Egal, jedenfalls ist es jetzt sechs Uhr, ich bin nur mittelmäßig ausgeschlafen und tatsächlich sind alle schon wach. Alle. Auch die Jungs sind vollzählig.

So kommt es, dass wir schon um halb Sieben in Ambilobe zum Frühstück vor dem Markt stehen. Drei frittierte Bananen und eine Cola später warte ich auf die Abfahrt. Fitah nutzt die Zeit und organisiert aus den umliegenden Hütten Getränke. Aus unerfindlichen Gründen fehlen jedoch noch Öl, Wasserkanister und diverses Gemüse, was unsere Abfahrt letztlich um eine gute Stunde verzögert. Immerhin regnet es nicht und hat auch in der Nacht nicht geregnet. Die Chancen stehen also rein theoretisch gar nicht so schlecht, dass wir es heute nach Ankarana schaffen. Auf der Kreuzung gegenüber der Markthalle beobachte ich einen jungen Mann, der an seinem Fahrrad acht junge – und leider tote – Hammerhaie hängen hat. Das ist auch hier illegal. Es interessiert aber offensichtlich niemanden, auch nicht den etwa zwei Meter am Fahrrad vorbei spazierenden Polizisten. Der junge Mann verkauft direkt auf der Kreuzung einen der Haie an eine bunt gekleidete Frau. Der Hai wird in eine winzige schwarze Plastiktüte gequetscht, wozu der Mann ihn zweimal regelrecht umknicken muss. Dann wechselt ein Schein den Besitzer und die Dame entschwindet.

Irgendwann kommen wir doch noch los. Aber nicht sehr weit. Nur ein paar Hundert Meter hinter Ambilobe werden wir an einem Posten der örtlichen Polizei angehalten. Anscheinend sind drei Leute mit Kopftüchern in einem Auto verdächtig. Tanala und Markus wursteln ihre Pässe aus dem Kofferraum heraus, ich habe meinen dankenswerterweise immer im Fotorucksack. Der Polizist sieht mit ernster Miene die Pässe durch, wechselt ein paar Worte mit Gris und gibt sie uns dann zurück. Wir können weiterfahren.

Wir durchfahren diverse riesige Schlaglöcher und Schlammpisten, bis wir nach etwa dreizehn Kilometern das Ende einer schier unendlichen Schlange von LKWs erreichen. Dicht an dicht stehen unzählige Lastwagen vor uns, die Reihe scheint überhaupt nicht enden zu wollen. Gris überlegt kurz, dann fährt er links an den LKWs vorbei. Die rechte Fahrbahn ist komplett zugestellt, wir nutzen die linke. Gut, dass gerade keinerlei Gegenverkehr kommt. An einigen Stellen sind große Stücke aus dem Straßenrand heraus gebrochen, die Gris sehr eng umkurvt – viel Platz ist ja nicht neben so einem zwanzig Tonnen-Ungetüm, das die rechte Straßenseite blockiert. Schließlich sind wir am Kopf der Schlange angelangt. Auf einem etwas breiteren Platz direkt vor einem Fluss stehen noch etliche Taxibrousse und diverse private Geländewagen und kleinere Autos.

Die kläglichen Brückenreste

Links ist, wie schon angekündigt, keinerlei Brücke mehr zu erkennen. Nur drei abgebrochene Betonquader ragen aus dem Wasser des übrigens recht breiten Flusses. Rechts ragt eine handgebastelte Landzunge aus Lateriterde in den Fluss hinein. Gris parkt irgendwo halb vorgedrängelt zwischen den anderen PKWs. Die anderen Landcruiser sind noch nicht angekommen. Gris, Tanala, Markus und ich steigen aus und laufen zu Fuß bis zum Ende der Landzunge. Die Sonne ist brütend heiß. Auf der Landzunge gibt es keinerlei Schatten und die Sonne brennt mit voller Wucht auf meinen Kopf. Auch wenn ein Kopftuch drauf ist.

Rund 20 Meter Loch ohne wirklich erkennbaren Weg liegen vor mir. Die Strömung des Flusses ist ziemlich ordentlich. Ein paar Sandsäcke liegen aneinander gereiht im Wasser an einer scharfen Kante, rechts davon soll eine Art Furt liegen. Man sieht davon nur leider gar nichts, nur aufschäumendes Wasser. Vor der Furt befindet sich eine Suhle aus nassem Laterit. Gerade versucht ein Hyundai Starex verzweifelt, von der anderen Seite herüberzukommen. Wir bleiben stehen und beobachten das Schauspiel. Zusammen mit Dutzenden anderer Menschen, ein regelrechter Auflauf hat sich angesammelt. Langsam arbeitet der Starex sich vor. Nur mit Heckantrieb kommt er jedoch nicht weit. Mit Schubsen und Ruckeln schafft er zwei Drittel der Strecke, dann sackt der Kleinbus links vorne in ein Loch und bleibt liegen. Gut 30 Männer rennen schreiend und gestikulierend um den Bus herum, schieben und rütteln. Aber der Starex bewegt sich keinen Millimeter. Nach einer ganzen Weile Gewurstel, Geschiebe, Schreierei und neu angeschleppten Sandsäcken geht immer noch nichts weiter.

Schließlich fährt ein weißer Nissan rückwärts in die Lateritsuhle. Ein Seil wird zwischen Starex und Nissan befestigt. Der Nissan fährt an und versucht dabei, ein paar Steine als Halt im Laterit zu nehmen. Der Motor röhrt, es gibt einen Ruck… und das Seil ist gerissen. Ich stehe inzwischen im Minischatten einer einzigen Palme – der einzige Schatten weit und breit – und teile ihn mit Markus, Tanala und einem Donutverkäufer. Irgendwann schafft der Starex es mit vereinten Kräften im lauten Getümmel doch noch aus dem Fluss. Prompt fährt sich ein zweiter an der gleichen Stelle fest. Ich laufe mit Tanala und Markus zurück, um etwas Schatten zu bekommen. Die Hitze ist nahe dran an unerträglich in der Sonne. Unter einer Mango setzen wir uns kurz an den Straßenrand. Schon nach wenigen Minuten sind mir jedoch die Kat mampfenden Herren um uns herum suspekt genug, doch wieder zurück zu der kleinen Palme an die Furt zurück zu wandern. Durch die brütende Sonne.

Inzwischen hat der Nissan einen Teil des Starex – die Front, um genau zu sein – aus dem Wasser gezogen. Leider steckt die Mehrheit des Kleinbusses aber weiterhin im Fluss fest. An den abgebrochenen Brückenpfeilern hat sich derweil ein florierendes Pirogentaxiunternehmen gebildet. Und besonders findige Menschen haben aus blauen Tonnen und ein paar Holzlatten ein Floß gebaut, das eifrig an einem Seil hin- und hergezogen wird. In der nichtexistenten Furt drängeln sich derweil Fahrradfahrer zwischen die Autos. Aktuell steckt ein Geländewagen fest. Die Stimmung ist aufgeheizt, alle brüllen durcheinander. Der Geräuschpegel ist bemerkenswert.

Plötzlich meint irgendwer, wir sollen doch mal vorfahren als nächstes. Ein Transitbus steht allerdings noch vor der Furt. Erst soll er nicht fahren, dann fährt er doch. Also hängt er fest wie alle anderen auch. Männer schleppen Betonteile zu dem Loch, in dem alle feststecken. Irgendwie wird es trotzdem nicht besser. Schließlich erscheint erneut der weiße Nissan – offenbar ein sehr hilfsbereiter Mensch (oder ein sehr geschäftstüchtiger) – und zieht den Bus mit lautem Rumpeln und viel Gekippel doch noch aus dem Fluss.

Dann hat Gris die fragwürdige Ehre, als erster von unseren Landcruisern auf die andere Seite zu fahren. Und bei der Gelegenheit noch unseren eigenen Starex – der hat aber immerhin Allradantrieb – an einem Seil mit rüber zu ziehen. Tanala, Markus und ich laufen also zurück bis zum parkenden Auto, steigen ein und Gris fährt den Wagen bis in die Lateritsuhle. Dann steigt er erstmal aus und stakst barfuß durchs Wasser. Es brüllt sowieso jeder was anderes, da möchte Gris sich selbst ein Bild der Lage machen. Auf halber Höhe fällt er fast selbst in den Fluss, kann sich aber doch noch halten. Markus und ich räumen Rucksäcke und Malbücher um, damit nichts im Fußraum liegt. Sollte Wasser ins Auto kommen, ist also vorgesorgt. Die Fenster werden runter gekurbelt – falls Wasser reinkommt, soll es auch wieder raus können. Der Plan, den Starex hinter uns mit einem Seil an Gris‘ und einem Seil an Mamys Landcruiser zu befestigen, so dass er quasi zwischen zwei Landcruisern hängt, wird wieder verworfen. Stattdessen werden beide Seile an Gris Auto geknüpft und vorne am Starex befestigt.

Es wird noch diskutiert, wie der Starex am besten gezogen wird…

Nach gefühlten hunderttausend Tipps von den unzähligen Umstehenden und Schaulustigen setzt Gris sich wieder hinters Steuer. Langsam lenkt er den Landcruiser ins Wasser. Rumpelnd und schlitternd geht es vorwärts, der Untergrund ist Lichtjahre von „eben“ entfernt. Zentimeter für Zentimeter schiebt Gris das Auto durch die Fluten, die von rechts gegen den Landcruiser drücken. Dann rummst es und der Starex hinter uns steckt fest. Gris setzt vorsichtig zurück. Als ich aus dem Fenster linse, ist noch eine knappe Hand breit Platz zwischen den Autoreifen und der Abbruchkante, an der der Fluss nach unten strömt. Hinter uns schubsen eine Horde Männer am Starex herum und brüllen, Gris solle mal wieder losfahren. Macht er. Dann knallt es laut und die beiden Seile, die den Starex eben noch mit uns verbunden haben, sind durch. Wir stehen also weiter mit laufendem Motor im Wasser. Der Fluss hat deutlich mehr Strömung, als man denkt, neben uns platscht ein junger Mann gerade ins Wasser. Unter lautem Gerufe setzt Gris das Auto wieder zurück, der Landcruiser hängt inzwischen schräg nach rechts. Die Reifen drehen durch.

Während die Seile wieder zusammengeknotet werden, wurschteln sich irgendwelche Idioten zu Fuß mitsamt einem Motorrad an uns vorbei. Auf einer Hand breit Platz, mit den Händen am Auto hängend. Gris setzt wieder nach vorne. Der Starex kommt einen halben Meter weiter vor, rutscht dann aber mit einem Rumpeln von der eigentlichen Fahrstrecke ab nach rechts und verkantet sich komplett. Gris setzt wieder ein Stück zurück. Hinten wird am Starex geschuckelt und gebrüllt, vorne kommt ein Taxibrousse zum Ufer gefahren. Unter lautem Gebrüll der Männer im Wasser wird es wieder vertrieben – ein Taxibrousse, das uns den Weg versperrt, fehlt hier gerade noch. Der einzige, der im Getümmel einen Hauch von Ruhe und Übersicht bewahrt, ist ein Herr im blauen Sweatshirt.

Gris fährt wieder langsam an, wir schaffen einen Meter, zwei… und bleiben wieder stehen. Rechts brüllen Leute „nach rechts, nach rechts!“ auf Madagassisch ins Fenster, links wird dafür „Nach links, nach links!“ gerufen. Sehr hilfreich. Vom Taxibrousse werden derweil riesige Säcke geladen, die fünf Männer gleichzeitig kaum tragen können. Ich bin dann doch etwas ungläubig erstaunt, als die Herrschaften sich mitsamt ihrer Ladung – übrigens ist es wohl die tägliche Kat-Lieferung – an Gris‘ Auto vorbei durch die Furt drängeln. Besonders beliebt machen sie sich mit der Aktion nicht, zwei Leute fallen dabei ins Wasser, die Säcke jedoch haarscharf nicht.

Gris fährt wieder an. Wir hängen ganz kurz an zwei Löchern mit spitzen Steinen in der Mitte, dann ist es geschafft. Nach einer sehr, sehr langen halben Stunde sind wir raus aus dem Fluss. Und der Starex auch. Außerdem haben wir trockene Füße, das Auto läuft noch und bis auf ein paar Dellen ist auch der Starex weitestgehend intakt. Nach uns durchquert Christian den Fluss. Ohne einen Starex hintendran geht das deutlich besser als mit. Er hängt nur kurz fest und kommt mit Anschubshilfe relativ zügig durch die Furt. Léon macht danach vor, wie es eigentlich geht. Mit stoischer Gelassenheit fährt er seinen Landcruiser wenige Zentimeter von der Abbruchkante in wenigen Minuten und ohne einmal komplett festzuhängen durch den Fluss. Tja, man sollte die körperlich kleineren nicht unterschätzen…

Auf der anderen Seite erfahre ich den Preis, den unser Vordrängeln vor rund fünfzig Autos und sicher doppelt so viel LKW hatte: 200.000 Franc Malgache pro Nase. Franc Malgache gibt es schon ewig nicht mehr, aber hier im Norden rechnet man noch gerne damit. Trotz des nicht gerade günstigen Preises für die Hilfe an der Furt atmen alle erstmal durch. Auf dieser Seite des Flusses ist es fast schon ruhig. Die Leute hier sind deutlich entspannter und es ist viel weniger los. Entgegen aller Befürchtungen hat uns die Flussquerung nur drei, vier Stunden gekostet. Ein Besuch in Ankarana kommt daher leider heute nicht mehr in Frage, aber das ist mir ziemlich egal. Hauptsache, wir sind drüben!

Erleichterung auf der anderen Seite

Nach kurzer Verschnaufpause, in der erleichtert die ersten Videos und Fotos ausgetauscht werden, fahren wir los in Richtung Ankarana. Das liegt nur weitere 15 Kilometer entfernt, ist also nicht wirklich weit. Direkt hinter dem Fluss überqueren wir eine hübsche, neu gebaute Brücke. Entlang der weißen Begrenzungspfosten reihen sich die LKWs aneinander. Wir fahren einfach vorbei. Die Straße hat ziemlich viele Schlaglöcher. Nur wenige Kilometer hinter dem Fluss entdecken wir einen Haufen LKWs, die gerade mit Kies beladen werden und diverse Bagger. Leider sind sie in Richtung Diego Suarez unterwegs. In der anderen Richtung würden sie dringender gebraucht…

Kein Mensch unterwegs bis Mahamasina

Nach einer halben Stunde erreichen wir Mahamasina, ein kleines Hüttendorf am Eingang des Nationalparks Ankarana. Wir biegen statt links zum Park Office rechts ein zu „Chez Laurent“. Jocelyn wartet schon auf uns. Der kleine Weg führt bis zu einer kleinen Anhöhe, an der zu beiden Seiten großzügige, bunt bemalte Hütten stehen. Wir beziehen genau diese – inklusive Strom, großen Betten mit Moskitonetzen und einem sehr großen, sauberen Bad. Ein schönes Lüftchen weht und man hat einen schönen Ausblick auf die Hügel der Umgebung. Na, das hat sich doch sehr gelohnt, früher hierher zu kommen!

Als alles im Häuschen verstaut ist, laufe ich zurück in Richtung Straße. In einer großen, nach allen Seiten offenen Hütte gibt es Mittagessen. Also, theoretisch. Praktisch dauert es drei Stunden. Prinzessin Valium im Restaurant braucht eine gute halbe Stunde, um Getränke aus einem kleinen Verschlag in der Hütte die drei Meter bis zum Tisch zu bringen. José, Fitah und Dimby helfen irgendwann selbst nach und übernehmen den Kellnerjob einfach kurzerhand. Erst nach zwei Stunden taucht ein totes, aber noch ungerupftes Huhn vor der Küche auf, gleichzeitig wird immer noch Reis entspelzt. Die Mühlen mahlen langsam hier. Macht aber nicht viel, denn hier kann man sich ganz gut beschäftigen: Vögel fotografieren, Tiere in den umliegenden Büschen und Bäumen suchen oder sich einfach auf die kleine Holzbank ganz vorne vor den letzten Hütten setzen und die Sonne genießen. Genau das mache ich, aber mit der Kamera in der Hand. Einen Steinwurf entfernt landen Reiher in einem Baum und ich übe mich mal wieder in der Vogelfotografie. Auch ein kleiner, roter Fody taucht auf. Die schwarzen Vasa-Papageien sind leider zu schnell für mich. Eine beigefarbene Hündin mit weißer Schnauze legt sich zu meinen Füßen hin. Sie hat eine tiefe, schlimm eiternde Wunde im Gesicht. Ich hebe vom Essen etwas Huhn auf, stopfe hundeverträgliche Medikamente hinein und verfüttere sie an Eiterbeulchen. Die ist scheinbar froh um jede Streicheleinheit, die sie bekommen kann.

Mamy und Dimby beschäftigen sich damit, die Beulen des Starex zu minimieren. Mamy baut einen Scheinwerfer aus, Dimby sucht einen langen Stock und hebelt damit eine große Delle in der Front in ihren Ursprungszustand zurück. Diverse kleinere Dellen drücken die beiden mit den Fingern heraus.

Im Restaurant herrscht am Nachmittag geschäftiges Treiben. Nicht essenstechnisch, aber menschentechnisch. Eine kleine Gruppe Franzosen mit einem Kat kauendem Guide tauchen auf und verschwinden schnell wieder. Eine andere Französin zieht gerade aus und steigt mit ihrem blondierten Guide ins Taxibrousse. Blond gebleichte Haare an einem Madagassen sehen schon sehr eigen aus. Diverse andere Franzosen tauchen auf, verschwinden aber alle wieder. Scheinbar wissen sie alle noch nicht, dass der Weg nach Ambilobe… nunja, holprig ist. Taxibrousse kommen jedenfalls aktuell keine durch.

Reiher unweit der Bungalows

Im Dunkeln gehe ich mit Stirnlampe auf dem Kopf mal in den Büschen gucken, was hier so herumfleucht. Schließlich sind wir mitten in der Natur, da muss es auch Tiere geben. Philipp, Martin und Markus schleichen mit mir um die Hütten. Erstmal finden wir diverse kleinere und größere Gottesanbeterinnen samt frischer Ootheken. Eine kleine Ast imitierende Mantis sitzt auf einem kleinblättrigen Busch. Eine größere, grüne Gottesanbeterin verfolgt das Licht unserer Stirnlampen und findet sich eine ganze Weile mal auf diesem Pullover, mal auf jenem Hemd wieder. Auf einem Haufen aufgeschichtetem Wellblech entdecken wir mehrere Paroedura. Direkt daneben laufen Unmengen große Fauchschaben herum und zwei Viridasius fasciatus, mittelgroße Spinnen mit gestreiften Beinen. Wenige Meter weiter gibt es einen orangefarbenen Frosch zu bewundern und eine riesige schwarze Raupe.

„Eiterbeulchen“

Zum Abendessen kehren wir wieder zur großen Hütte an der Straße zurück. Der Wind hat sich gelegt, aber die Luft ist angenehmer und weniger drückend als in Ambilobe. Während wir auf den Reis warten, schlägt ein kleiner Junge mit einem Besen auf einen der herumlaufenden Hunde ein. Fast gleichzeitig brüllen im Restaurant alle empört los. Tanala springt auf, reißt dem kleinen Jungen den Besen aus der Hand und zerlegt ihn in Einzelteile. Verschüchtert verschwindet der kleine Junge in der Küche. Damit wäre wohl auch geklärt, weshalb der beige, Malinois-artige Rüde einen alten Oberschenkelbruch hat. Jocelyn vermittelt und erklärt den Erwachsenen, dass die Hunde das Gelände beschützen, dafür aber wenigstens nicht geschlagen werden sollten. In der Küche wird genickt. Ob es angekommen ist, da bin ich mir nicht so sicher.

Das Abendessen ist lecker, große Reisportionen mit einer Art Tomatensauce und Gemüse. Das Hühnchen wird unauffällig für die Hunde aufgehoben. Das Wasser ist übrigens gerade aus. Die nächste Lieferung steckt hinter Ambilobe an der eingestürzten Brücke fest.

Es ist noch nicht spät, als ich mit Tanala zu unserem Häuschen zurückkehre. Ich dusche mir im riesigen Bad Schweiß und Dreck von der Haut. Das tut gut! Später verschwindet leider die kühle Brise, die kurz zuvor noch vorhanden war. Es ist stickig und heiß im Bungalow. Ich schließe das Moskitonetz hinter mir um das Bett herum. Die Fenster stehen weit offen. Eine kleine Eule sitzt irgendwo in der Nähe. Sie klingt wie eine kaputte Alarmanlage. Huuuh – huuuuh – huuuh – huuuuh…

Veröffentlicht von Alex

Alex ist 35 Jahre alt, wohnt in der Nähe von Mainz und ist im echten Leben fernab des Urlaubs Tierarzt mit Faible für Reptilien. Sie fotografiert und reist gerne - so entstand auch dieser Blog. Nebenbei hält sie selbst Chamäleons zu Hause, schreibt an wissenschaftlichen Veröffentlichungen, betreibt ein kostenloses OnlineMagazin und erstellt Malbücher für madagassische Kinder.

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