Südwesten 2017

Von Antsokay nach Ifaty

Toliara
Toliara

Am Morgen ist Zeit zum Ausschlafen. Das heißt auf Madagaskar, dass ich um halb Sieben wach bin. Ich bewundere eine Termitenstraße an einem der Holzpfosten im Bad, und begebe mich nach der allmorgendlichen Dusche zum Frühstück. Zum Abschied von Antsokay gibt es eine bunte Obstmischung mit Papaya, sowas-wie-Maracuja, Ananas und Bananen.

Als Andry alles Gepäck, das dankenswerterweise von zwei Jungs des Hotels von den Bungalows bis zum Parkplatz gerollt wurde, in unserem weißen Bus verladen hat, geht es los. Innerhalb einer Viertelstunde sind wir aus dem ruhigen Dornwald hinaus, am winzigen Flughafen vorbei und mittendrin in Toliara. Auf Französisch wird die Stadt Tuléar genannt, und das klingt irgendwie recht edel. Leider straft die Realität den Namen Lügen. Toliara ist vor allem eins: Furchtbar dreckig. Asphalt gibt es an vielen Stellen gar keinen mehr, Erdlöcher und Pfützen (es ist noch Regenzeit!) wechseln sich ab. Überall liegt Müll. Am Straßenrand reiht sich ein provisorischer Stand an den anderen. Es gibt viele Kaktusfeigen zu kaufen, für viele Menschen im Süden das einzige Essen. Frauen breiten sie auf bunten Tüchern auf dem Boden aus, sorgsam abgezählt in Dreierhäufchen. Nebenan flickt jemand einen Fahrradreifen, daneben steht ein Renault-Wrack und wieder ein paar Meter weiter verkauft ein Mann in einem leuchtend gelb angemaltes Holzhüttchen Crédit-Karten für Handys. Ein aus Holzlatten und Stofftüchern bestehender Stand hat sich stolz „Metzgerei“ auf die Fahnen geschrieben. Bei bereits jetzt über 30°C im Schatten brüten Schweinefüße und ausgenommene Hühner nebeneinander vor sich hin.

Unzählige Cyclo-Pousse verstopfen die Straßen, nur Tuktuks sucht man hier vergeblich. Wir rumpeln eine große Allee entlang. Ein paar Madagaskarflaggen wehen in einem Garten voller Palmen. Kaum biegen wir nach rechts ab, bestimmen wieder Bruchbuden aus Wellblech und Selbstbauten aus Holzlatten das Straßenbild. Andry lenkt unseren kleinen Bus auf die RN9, die inzwischen asphaltiert ist. An den Müllbergen Toliaras vorbei führt der Weg auf eine große Brücke. Hier und da steigen kleine Rauchsäulen aus dem Müll auf. Drei oder vier knallbunt angemalte Tatabusse überholen wir. Aus den Fenstern winken laut gröhlend Schüler in hellblauen Hemdchen, sie machen offenbar gerade einen Schulausflug. Das erkennt man weniger an den nicht von allen getragenen Schuluniformen, sondern vor allem daran, dass die Dächer der Busse fast völlig unbeladen sind, von ein paar Getränkekisten abgesehen. Und das ist wirklich eine Seltenheit in Madagaskar.

Toliara

In nicht einmal einer halben Stunde sind wir in Ifaty-Mangily. Auf der Schotterpiste vor zwei Jahren hatten wir Stunden gebraucht… Links passieren wir Salinen, an die ich mich nicht erinnern kann. Zu beiden Seiten der Straße stehen immer wieder Opuntien, und entsprechend werden auch hier überall Kaktusfeigen zum Verkauf angeboten. Ansonsten gibt es hier vor allem Sand und karges Grün. In Ifaty biegen wir irgendwo im Dorf links ab Richtung Ifaty Beach Club. Der Bus rollt auf einen Schotterparkplatz, dahinter liegt die Hotelanlage. Umringt von hübschen, weißen Bungalows steht mittig das Restaurant, davor eine Bar und ein kleiner Salzwasserpool. Alles liegt direkt am Strand, mit dem Kanal von Mosambik in Sichtweite. Tanala und ich bekommen Bungalow Nr. 4, direkt vor der Bar. Begrüßungsdrinks mit Zuckerrändern werden gereicht. Ifaty

Das Bungalow ist hübsch, nur im Bad wohnt bereits ein Achtbeiner. Ich dusche erst, als das Tierchen erfolgreich entfernt ist. Sehr erfrischend, so eine Dusche bei den Temperaturen! Man schwitzt hier schon vom Nichtstun. Leider ist der Pool gerade kaputt bzw. leer, eine Angestellte verspricht aber, dass er bis zum Abend wieder befüllt sei. Die Treppe neben unserem Bungalow zum Restaurant ist auch gerade außer Betrieb, sie wird neu betoniert und verputzt. Man merkt, dass Nebensaison ist.

Ich laufe zum Meer und verbrenne mir fast die Füße am heißen Sand. Die Hitze scheint durch die Flip-Flops einfach durchzukriechen. Wegen der Ebbe ist das Meer maximal kniehoch entlang des Strandes, und das Wasser ist entsprechend brühwarm. Ich versinke bis zum Knöchel im Schlick. Während ich so vor mich hinplantsche, entdecken mich die diversen Strandverkäufer. So bekomme ich innerhalb von zehn Minuten diverse Bootsfahrten, ein Langustenessen am Strand, zig Massagen, unechte Vango Vangos und diverses Andere angeboten. Ich bin heute leider ein schlechter Kunde und lehne dankend ab. Inzwischen sind auch die anderen eingetrudelt. Alle machen es sich auf den Holzliegestühlen gemütlich. Bei Musik und leichtem Wind lässt es sich gut hier aushalten.

Toliara
Der Pool, als wieder Wasser darin ist

Irgendwann am Nachmittag taucht ein junger Mann in grauem Hemd, Caprihose und einer überdimensionierten schwarzen Brille zwischen den Sonnenliegen auf, der schwer wie ein Zauberlehrling aussieht. Er trägt ein Buch mit brauner Kladde und will Bestellungen fürs Abendessen aufnehmen. Wollen wir aber nicht, denn Varinia und Gunther haben uns zu Chez Freddy eingeladen. Mit Dimby besuche ich neben dem Nachbarhotel eine Gruppe Frauen und frage sie, ob sie Haare flechten können. Ja natürlich! Ich soll noch ein Muster aussuchen, eine ältere Frau malt diverse in den Sand. „Wie lange braucht ihr denn?“, frage ich noch. „20 Minuten, wir machen das ja zu siebt!“ Prompt sitzen etliche Frauen um mich herum, und innerhalb einer Dreiviertelstunde (madagassische 20 Minuten) habe ich eine 1a-Flechtfrisur. Sie kostet ganze 7,10 € und ich gebe noch ein gutes Trinkgeld dazu. Wenig später spüre ich auch, weshalb hier alle diese Flechtfrisuren tragen. Sie sehen nicht nur toll aus, sie lüften auch ganz hervorragend die Kopfhaut. Nur wegen Sonnenbrand muss man ein bisschen aufpassen.

Es ist gerade dunkel, da tapern wir los. Straßenbeleuchtung gibt es in Ifaty nicht und der Mond ist nicht zu sehen, daher ist es stockfinster auf dem Weg zwischen den Hütten. Rund hundert Meter laufen wir im Finsteren, dann kommen wir an einen großen Baum auf einem kleinen Platz. Hier geht es wohl rechts? Zum Glück finden wir die kleine Kneipe. Chez Freddy ist ein steinernes Gebäude mit einer schmalen Terrasse, auf der Tische und Bänke zusammengerückt werden. Die offenen Seiten der Veranda sind mit Fäden geschückt, auf denen kleine Muscheln aufgereiht sind. Ein bisschen Weihnachtsdeko ist auch noch übrig. Das Essen ist jedenfalls großartig. Nur die Gesellschaft ist etwas fragwürdig, das scheint ein Problem in Ifaty zu sein. An meiner Gruppe ist nichts auszusetzen und bei uns geht es sehr lustig zu. Links von uns dagegen sitzt an einem kleinen Tisch ein uralter Franzose mit langen, schlohweißen Haaren. Er hat einen starken Raucherhusten und neben sich eine kleine, drogenbeseelte Madagassin im neon-orangenen, knallengen und tief ausgeschnittenem Outfit. Ihr Blick geht ins Leere. Einen Tisch weiter gesellt sich später ein fetter, schwabbeliger alter Franzose im schmutzigen Feinrippunterhemd dazu. Als die Masse alter Säcke mit jungen Madagassinnen unverhältnismäßig zunimmt, flüchten wir.

Später versuche ich noch mein Glück an der hoteleigenen Bar. Die macht erst auf – oder vielmehr bekommt einen Angestellten – nachdem Dimby im Restaurant Bescheid gesagt hat, dass jemand draußen etwas trinken möchte. Ich bekomme einen Piña Colada mit etwa 60% Rum in einem Caipirinha-Glas. Nach einer guten halben Stunde. Von Ananas schmecke ich nichts. Zeit, ins Bett zu gehen.

Veröffentlicht von Alex

Alex ist 35 Jahre alt, wohnt in der Nähe von Mainz und ist im echten Leben fernab des Urlaubs Tierarzt mit Faible für Reptilien. Sie fotografiert und reist gerne - so entstand auch dieser Blog. Nebenbei hält sie selbst Chamäleons zu Hause, schreibt an wissenschaftlichen Veröffentlichungen, betreibt ein kostenloses OnlineMagazin und erstellt Malbücher für madagassische Kinder.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.