Heute früh verzichte ich mal wieder auf das Frühstück im Hotel. Der Großteil der Gruppe fährt mit den Jungs zum Hafen, um dort „ein bisschen anders“ zu frühstücken. Wer lieber im Hotel essen will, wird später abgeholt. Ich fahre natürlich mit an den Hafen. Wir lassen die Autos auf schrägen Parkplätzen vor einer Betonmauer stehen, und laufen ein paar Meter an Ständen vorbei und eine Treppe herunter zum kleinen Markt des Hafens. Mama Be, eine große, dicke und ältere Frau mit Zigarettenkippe im Mundwinkel, sitzt auf einem winzigen Hocker vor einem rosa Eimer mit Fischen und einer kleinen Feuerstelle mit Grill. Gegenüber betreibt ihre Tochter (oder eine davon, es scheinen viele zu sein) ein kleines Geschäft mit Keksen, Getränken, Dingen des alltäglichen Bedarfs und allerlei Krimskrams. Vor dem Lädchen stehen zwei Tische, auf denen die Frauen mit Sakay gewürzten Fisch zum Grillen anbieten, außerdem kleine Kraken und Zebu-Brochettes. Aus diversen mehr oder minder stabilen Tischen bauen wir uns einfach zwischen den Läden einen großen Tisch für alle, dazu gibt es wackelige Stühle, aus Holzplanken gezimmerte „Bänke“ und Bierkästen zum darauf sitzen. Die Jungs bestellen ihre morgendliche Reissuppe und etwas Fisch dazu, der frisch von Mama Be gegrillt auf den Tisch gereicht wird. Ich esse frittierte Bananen von einem der Stände oben an der Straße.
Gegen Acht sind alle pappsatt und es kann losgehen. Wie gestern laufen wir alle zum Hafentor, wo bereits der Mann von gestern zur Passkontrolle wartet. Heute will er aber nur einen Teil der Ausweise sehen, meiner scheint nicht interessant genug zu sein. Am Steg wartet schon Choa malaza mit der Cyclone II auf uns. Heute geht es nach Nosy Tanikely, im Dialekt der Sakalava wird sie Tanihely genannt. Das Wort bedeutet soviel wie „kleine Erde“, da die Insel wirklich klein ist. Das Boot schießt über das Wasser, die Sonne scheint vom blauen Himmel. Wir lassen Nosy Komba hinter uns und halten auf Nosy Be zu, bevor wir dann aber nicht zur großen Insel hinüberfahren, sondern auf einen kleinen Punkt am Horizont zufahren. Der kleine Punkt wird größer und stellt sich als kleine, von Bäumen bewachsene Insel heraus, mit einer kleinen Anhangsinsel auf der rechten Seite.
Schließlich kommen wir an einem weißen Sandstrand an. Das Meer ist traumhaft türkisfarben und kristallklar, es ist gerade Ebbe und im niedrigen Wasser wenige Meter vor dem Strand werden Korallen sichtbar. Der Strand ist breit, und wir laufen zu einer kleinen Hütte weiter oben am Strand. Dort wartet schon ein junger Mann, der uns gleich mal auf die Regeln dieser von Touristen vielbesuchten Insel hinweist. Nur gucken, nix anfassen, Müll mitnehmen, und den Lemuren nicht füttern ist die kurze Zusammenfassung. Das krieg ich hin. Wir richten uns an einem Viereck aus Baumstämmen im Schatten häuslich ein, und der Leuchtturmwärter organisiert Schnorchel und Flossen für 10.000 Ariary. Da ich unbedingt Meeresschildkröten sehen möchte, aber gerade Ebbe ist, steigen ich und ein paar andere nochmal ins Boot.
Choa fährt uns entlang des Korallenriffs an eine Stelle gegenüber des Strandes, wo wir nach und nach ins Wasser springen. Ich war noch nie wirklich Schnorcheln. Erstmal ist auch mein Schnorchel leider kaputt. Aber unser Guide, dessen Name ich leider schon wieder vergessen habe, repariert ihn und steckt irgendwelche Teile anders aneinander. Dann kann’s losgehen. Schon direkt unter mir sind ganze Türme aus Korallen im Wasser, und ich schwimme keine zwei Meter obendrüber. Bunte, kleine Fische huschen dazwischen herum, und eine Menge Seeigel liegen eng an die Korallentürme gedrückt im Sand. Es ist sehr beeindruckend. Plötzlich höre ich dumpf jemanden über Wasser rufen – jemand hat Schildkröten gesichtet. Also schwimme ich in die Richtung, und tatsächlich: Eine große, langsam einher schwimmende Meeresschildkröte, direkt unter uns. Sie lässt sich überhaupt nicht von den Schnorchlern stören, sondern kaut hier an einer Koralle und frisst da ein paar Algen. Sie strahlt richtig Ruhe aus, und ich kann das Schnorcheln jetzt auch genießen – trotz des ziemlich rauhen Wellengangs. Nach ein paar Minuten taucht die Meeresschildkröte zum Luft holen an die Oberfläche, und schwimmt dabei keinen Meter neben mir. Große, dunkle Augen schauen mich für einen kurzen Augenblick an, dann taucht die Schildkröte wieder langsam ab. Ein Wahnsinnsmoment. Und es bleibt nicht der einzige, denn wir sehen noch etliche weitere kleine und größere Meeresschildkröten.
Als ich zum Boot zurück schwimme, sind die Wellen recht hoch. Die Flut kommt zurück. Auch einige der Jungs waren im Wasser. Wer nicht schwimmen kann, ist einfach mit Schwimmweste ins Wasser gehüpft. Eric und Andry waren die Wellen aber dann doch zu hoch, sie sind schnell wieder ins Boot gestiegen. Langsam tuckern wir um die Korallen herum wieder zur Anlegestelle vorne am Strand. Selig steige ich aus, und gehe kurz zu den in Hütten untergebrachten Duschen, um das Salz von der Haut zu spülen. Überall im Laub sitzen Schildechsen, die einen neugierig beobachten und wieselflink durch’s Unterholz flitzen. Steffi entdeckt an einem Baum einen wunderschönen Fischschuppengecko, der sich auch geduldig fotografieren lässt. Später unternehme ich mit Ines, Steffi und Stefan noch zwei weitere Schnorchelgänge direkt vom Strand aus, und wir sehen insgesamt sieben Meeresschildkröten. Das Lächeln geht keinem mehr so richtig aus dem Gesicht, es sind einfach zauberhafte Wesen. Schließlich sitzen wir alle müde am Strand.
Inzwischen haben sieben oder acht Boote vor Nosy Tanikely geankert, und eine Menge Touristen haben sich am Strand eingefunden. Zu meinem Erstaunen wollen die wenigsten davon schnorcheln. Die meisten Gruppen bleiben nicht einmal eine Stunde, essen eine Kleinigkeit am Strand und düsen dann schon wieder davon. Gut für die Korallen. Auch für uns wurde leckeres Mittagessen vorbereitet. Zwischen dem Viereck der Baumstämme wird der Sand gerade gestrichen und eine Tischdecke darüber gebreitet. Dann sitzen wir auf den Baumstämmen um unseren „Tisch“ herum, und es gibt Platten voller Fisch, Zebu- und Garnelenspieße mit extrem leckeren Kokosreis. Zum Dessert gibt es Ananas und Papaya, die kleingeschnitten in ausgehöhlten Ananas (samt Deckel obendrauf) stecken. Es schmeckt himmlisch, und alle essen sich pappsatt.
Erst gegen vier Uhr brechen wir so langsam auf. Alle anderen haben längst die Insel verlassen. Hunderte Einsiedlerkrebse machen sich gerade aus dem Laub auf den Weg über den Strand – witzige kleine Tierchen mit Stielaugen, und ich habe keine Ahnung, wo sie eigentlich hinwollen. Barfuß laufe ich zum Boot zurück, den Fotorucksack auf der Schulter und die Flip-Flops in der Hand. In einem kleinen Busch ein paar Meter hinter dem Nationalpark-Schild hat Dimby noch ein Pantherchamäleon-Männchen entdeckt, allerdings ist Hingehen und Berühren verboten. Gut, bei den vielen Touristen hier nicht die schlechteste Maßnahme. Farblich sieht es aus wie ein Tier aus Ankify, und ob Furcifer pardalis hier ursprünglich tatsächlich vorkommt, kann mir auch keiner sagen. Hmm…
Die Fahrt zurück nach Ankify ist toll. Der Wind weht mir über die verbrannte Haut, und das Wasser spritzt an den Seiten ins Boot. Ich war zwar mit T-Shirt im Wasser, aber gegen den Sonnenbrand im Nacken und am Hinterkopf hat das nichts genutzt. Außerdem war das Shirt recht lose und ist dauernd den Rücken hochgerutscht. Deshalb sieht mein unterer Rücken jetzt ein bisschen aus wie Grillhähnchenhaut.
Choa malaza setzt uns wieder direkt vor dem Hotel am Strand ab. Diesmal ist das Wasser nicht so kochend heiß und nicht so niedrig. Mit einem THB in der Hand genieße ich den Sonnenuntergang von der Terrasse des Bungalows aus. Es war ein fantastischer Tag.
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